Vor ca. 12 Jahren hatte ich mein letztes Nokia-Smartphone in den Händen gehalten. Es war das Nokia N73 mit dem vor einigen Jahren eingestellten Betriebssystem Symbian S60 und einer für heutige Verhältnisse bescheidenen 3,2 Megapixel-Kamera. Mit den heutigen Smartphones hatte das N73 also nicht wirklich viel gemeinsam.
Jetzt bot sich mir endlich wieder die Gelegenheit ein Nokia-Smartphone auszuprobieren. Die Rede ist vom aktuellen Vorzeige-Smartphone Nokia 8 Sirocco. Die letzten Wochen begleitete mich das edel anmutetende Smartphone von Nokia bzw. der Nokia-Lizenznehmerin HMD Global im Alltag.
Ob das aktuelle Flaggschiff an die glorreichen Zeiten der Sirocco-Reihe anknüpfen kann, zeigt euch der folgende Testbericht auf. Viel Spaß!
Die technischen Daten des Nokia 8 Sirocco
- Display/Seitenverhältnis: 5,5 Zoll FHD+ (2560 x 1440 Pixel), 18:9-Format, 534 PPI
- Prozessor/GPU: Qualcomm Snapdragon 835, Adreno 540 GPU
- Speicher: 6 GB RAM, 128 GB UFS 2.1 interner Speicherplatz
- Betriebssystem: Android 8.1 Oreo (Android One)
- Hauptkamera: Dual-Kamera mit 12 MP Haupt- (f/1.7) und 13 MP-Zweitsensor (f/2.6 / Teleobjektiv)
- Frontkamera: 5 Megapixel
- Anschlüsse: USB Typ C (USB 3.1)
- Verbindungen: WLAN 802.11 ac (Dual-Band), Bluetooth 5.0, LTE Cat. 12 (bis zu 600 Mbits Downstream), GPS / GLONASS
- Dual-SIM: nein
- Akku: 3260 mAh (Quick Charge 4.0 kompatibel)
- Abmessungen: 140,9 x 72,9 x 7,5 Millimeter
- Gewicht: 176 Gramm
Lieferumfang, Design und Verarbeitung
In der Verpackung des Nokia 8 Sirocco finden wir neben dem Smartphone, ein Netzteil, ein Ladekabel, ein paar In-Ear-Kopfhörer (USB-C), ein 3,5-mm-auf-USB-C-Adapter und als nette Beigabe eine Schutzhülle aus robustem Kunststoff. Damit liefert Nokia alles was man braucht, ja sogar die passende Schutzhülle.
Eine kleine Anekdote zur Schutzhülle kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Pflichtbewusst wie ich bin, habe ich das Nokia 8 Sirocco gleich in die Schutzhülle verpackt. Nach der Testperiode von ca. drei Wochen, wollte ich die Schutzhülle wieder „abmontieren“. Nur… das ging irgendwie nicht. Trotz mehr oder weniger hoher Gewalteinwirkung, liess sich die Hülle nicht mehr vom Nokia 8 Sirocco lösen. Nun gut, das Gerät ging dann mit angebrachter Schutzhülle zurück an die Pressestelle. Sorry, an dieser Stelle 🙂
Das Nokia 8 Sirocco hat im Gegensatz zu den aktuellen Smartphones ein Display im 18:9 Format verbaut. Dadurch fällt das Smartphone etwas breiter aus, dafür aber auch sichtbar kürzer. Das Gerät liegt sehr gut in der Hand und fühlt sich extrem wertig an. Es sind mir bisher nur wenige Smartphones untergekommen, die einen so wertigen Eindruck hinterlassen haben wie das Nokia 8 Sirocco.
Gefertigt ist das Gehäuse übrigens aus Edelstahl, das laut HMD Global aus einem Block gefräst und anschliessend über eine längere Zeit bearbeitet wird. Edelstahl ist alles andere als ein leichter Werkstoff, was sich auch beim Gewicht von 176 Gramm bemerkbar macht. In Kombination mit dem stark gebogenen Glas (Corning Gorilla Glas 5) auf der Vorderseite, dem sehr schmalen Kanten und der Rückseite aus Glas, ist HMD Global mit dem Nokia 8 Sirocco definitiv ein Eyecatcher gelungen.
Ein zwei Punkte kann sich HMD Global aber gerne für den Nachfolger zu Herzen nehmen. Die Rückseite ist leider wie jedes Smartphone mit Glasrückseite ziemlich anfällig auf Fingerabdrücke. Das lässt sich wohl nicht ändern, dafür aber die Sache mit den Tasten bzw. Lautstärke-Wippe. Die auf der rechten Seite angebrachten Tasten sehen zwar sehr schön und hochwertig aus, lassen sich aber nur sehr schwer bedienen bzw. ertasten. Gleiches gilt für den Fingerabdrucksensor auf der Rückseite, der sich leider kaum vom Gehäuse abhebt. Dafür kann man positiv hervorheben, dass das Sirocco nach IP67-zertifiziert ist und somit gegen Staub- und Wasser gewappnet ist.
Das Sirocco hat keinen 3,5 mm Klinkenanschluss mehr verbaut, weshalb HMD Global auch gleich einen passenden 3,5 mm Adapter für den USB C-Anschluss liefert. Auf der rechten Seite gibt es den Power-Button und die Lautstärke-Wippe. Auf der gegenüberliegenden Seite finden wir den SIM-Slot (Dual-SIM) vor. Unten am Gerät gibt es den Lautsprecher, das Mikrofon und den USB C-Anschluss.
Display
Im Sirocco ist ein 5,5 Zoll-P-OLED-Display im 16:9-Format und mit einer Auflösung von 2560 x 1440 Pixel verbaut. Damit kommt das Gerät auf eine Pixeldichte von hohen 534 PPI. Insbesondere beim Betrachten von Filmen bringt das 16:9-Format den Vorteil mit, dass keine schwarzen Streifen links und rechts vorhanden sind.
Das Display stellt die Inhalte dank der hohen Auflösung sehr scharf dar. Etwas überrascht, leider negativ, war ich über die Helligkeit des Displays. Auch auf der maximalen Helligkeitsstufe empfand ich das Display als ziemlich dunkel, wie auch ein Vergleich mit meinem Galaxy S8+ gezeigt hat. Erst mit aktivierter Helligkeitsautomatik hat sich dieser Umstand gebessert und ich konnte das Smartphone ohne Probleme bei direkter Sonneneinstrahlung nutzen.
Die abgerundeten Seiten sehen zwar richtig gut aus, können aber bei der Nutzung auch als störend empfunden werden. Das Display darunter, welches ebenfalls gebogen ist, verlaufen dann die Inhalte teilweise auch nach hinten. Das kann als störend empfunden werden, muss aber nicht. Ich habe mich ziemlich schnell an diesen Umstand gewöhnt.
Was bei OLED-Panels auch nicht wirklich überraschend ist, ist die Neigung zum „Blaustich“. Die Farbe Weiß wird dabei leicht ins „Blau“ gezogen, was beim Nokia 8 Sirocco definitiv ausgeprägter als beim Galaxy S8+ ist. Vor allem bei leichter Neigung macht sich dieses Phänomen besonders bemerkbar. Das Nokia 8 Sirocco bietet leider keine Einstellungsmöglichkeiten, um beispielsweise die Farbsättigung anzupassen.
Ein Always-On-Display (AOD) gibt es beim Nokia 8 Sirocco nicht, obwohl ein OLED-Display dafür prädestiniert ist. Immerhin bringt HMD Global den sogenannten „Glance-Screen“, der ähnlich wie das Inaktivitätsdisplay von Google arbeitet. Allerdings gibt es bei Glance-Screen ein paar weitere Einstellungsmöglichkeiten, beispielsweise das anpassen des Uhrendesigns.
Hardware, Performance und Benchmark
HMD Global verbaut im Nokia 8 Sirocco den Qualcomm Snapdragon 835, der von 6 GB Arbeitsspeicher flankiert wird. Dieser SoC wurde im letzten Jahr praktisch bei allen High-End-Smartphones verbaut. Im Jahr 2018 setzen die meisten Hersteller für ihre Flaggschiff-Smartphone auf den nochmals leistungsstärkeren Snapdragon 845.
Auch wenn nicht der aktuellste High-End-SoC zum Einsatz kommt, läuft das Gerät damit absolut flüssig und ruckelfrei. Das dürfte auch Android One zu verdanken sein, welches besonders effizient arbeitet und ohne schweren Anpassungen daher kommt. Der interne Speicherplatz beläuft sich auf 128 Gigabyte, wobei ca. 15 GB ab Werk verwendet werden. Dank UFS 2.1 liefert das Gerät schnelle Schreib- und Lesegeschwindigkeiten. Einen microSD-Slot zwecks Speichererweiterung sucht man hingegen vergebens.
Mit den 2018er Flaggschiff-Smartphones kann das Nokia 8 Sirocco im Alltag durchaus mithalten, nicht so aber in den gängigen Benchmarks. Im AnTuTu-Benchmark erreichte das Nokia 8 Sirocco im Schnitt eine Punktzahl von 201.480. Im Geekbench V4 resultierte im Single-Core-Test ein Wert von 1950 und im Multi-Core ein Wert von 6640. Ein Vergleich: Das Sony Xperia XZ2 erreichte im AnTuTu-Benchmark einen Wert von beinahe 250.000.
Auch wenn das Sirocco nicht an die Werte der aktuellen Flaggschiff-Smartphones kommt, können ohne Probleme Games auf dem Gerät wiedergegeben werden. Egal ob das grafikintensive Asphalt 9 oder eine Runde Solitär, das Sirocco konnte alle Spiele ohne Ruckler wiedergeben und behielt dabei einen kühlen Kopf. Wird es dem Gerät trotzdem mal zu warm, drosselt der SoC die Leistung automatisch nach unten
Leider verbaut HMD Global nur einen Mono-Lautsprecher an der Unterkante. Stereo-Lautsprecher hätten auch dem Sirocco gut getan. Der Mono-Lautsprecher verrichtet seinen Dienst ganz ordentlich, mehr aber auch nicht. Einen Hi-Fi-Quad-DAC oder zumindst eine spezielle Zertifizierung (u. a. DTS: X 3D) gibt es alles leider nicht. Von einem Flaggschiff-Smartphone könnte man das aber inzwischen durchaus verlangen.
Software
HMD Global setzt auch beim aktuellen Flaggschiff-Smartphone auf das Android One-Programm. Die Vorteile von Android One liegen auf der Hand: Absolut schnörkellose Oberfläche und eine Update-Garantie von zwei Jahren auf Major-Updates sowie drei Jahren auf Sicherheitspatches. Letztendlich verrichtet Android 8.1 Oreo samt Unterstützung für das Project Treble seinen Dienst auf dem Gerät. Ein Update auf Android 9 Pie wird auch schon bald folgen.
Ich finde Android One eine tolle Sache, es gibt keine Bloatware und auch keine doppelt installierten Apps, wie bei einigen anderen Herstellern. Das System ist sehr schlank gehalten und bietet eine optimale Benutzerfreundlichkeit. Eine aufgeblasene Oberfläche wie EMUI oder Samsung Experience gibt es folgerichtig nicht.
Allerdings muss man sich bei Android One-Smartphones auch bewusst sein, dass es nicht besonders viele Software-Features bietet. Nehmen wir mal die abgerundeten Seiten, die echt schick aussehen. Bei Samsung gibt es dafür die Edge-Features, womit man ein paar mehr oder weniger nützliche Features bekommt. Und beim Nokia 8 Sirocco? Leider gar nichts. Insofern unterscheidet sich das Sirocco in puncto Software kaum von einem anderen Android One-Smartphone – die in der Regel deutlich günstiger sind.
Kamera
Das Nokia 8 Sirocco hat insgesamt drei Kameras verbaut. Zwei davon sind auf der Rückseite zu finden und eine auf der Vorderseite. Die Dual-Kamera wurde in Zusammenarbeit mit Carl Zeiss entwickelt, weshalb auch das Branding bei der Kamera angebracht ist.
Der Hauptsensor hat eine Auflösung von 12 Megapixeln mit einer f/1.7-Blende. Der Zweitsensor fungiert als Teleobjektiv und löst mit 13 Megapixeln bei einer f/2.6-Blende auf. Dank diesem Setting kann das Nokia 8 Sirocco einen verlustfreien zweifach Zoom oder den beliebten Bokeh-Effekt mit unscharfem Hintergrund ermöglichen. Und wenn wir schon beim Bokeh-Effekt sind, da muss HMD Global noch dringend nachbessern. Denn nicht nur der Hintergrund wird unscharf dargestellt, sondern auch das Motiv wird teilweise leider sichtbar „unscharf“.
Dank der lichtempfindlichen Hauptkamera, macht das Nokia 8 Sirocco bei schlechten Lichtverhältnissen brauchbare Aufnahmen. Mit Rauschen und deutlich weniger Details muss man aber leben können. Anders verhält es sich bei guten Lichtverhältnissen, wo mir die Dual-Kamera durchaus gefallen hat. Die Fotos wirken nicht zu knallig und die Schärfe stimmt. Mit dem Referenz-Smartphone Huawei P20 Pro können die Aufnahmen jedoch nicht mithalten. Apropos Huawei P20 Pro, spezielle KI-Features gibt es beim Nokia 8 Sirocco nicht.
Das Nokia 8 Sirocco beherrscht Videoaufnahmen mit 4K-Auflösung bei einer maximal 30 Bildern pro Sekunde. Ebenfalls nur 30 fps gibt es bei den Aufnahmen in 1080p, was doch etwas enttäuschend ist. Immerhin gibt es gleich 120 fps beim FullHD-Zeitlupen-Modi. HDR-Videos? Das gibt es beim Nokia 8 Sirocco leider nicht. Dafür unterstützt es OZO Audio, womit man die drei Mikrofone (hinten, vorne oder Surround Sound) gezielt auch einzeln ansteuern kann.
Die Frontkamera löst mit relativ niedrigen 5 Megapixeln auf, was ja nicht zwingend ein schlechtes Zeichen sein muss. Und ja, das ist es beim Sirroco nicht – ich bin durchaus zufrieden mit den Selfies.
Ein paar Beispiel-Aufnahmen der Kamera des Nokia 8 Sirocco sind in diesem Album bei Google Fotos zu finden.
Konnektivität und Sprachqualität
Das Sirocco bietet LTE-Geschwindigkeiten (LTE Cat. 12) von bis zu 600 Mbit/s im Down- und 150 Mbit/s im Upstream an. Damit kann es nicht mit aktuellen Smartphones wie das Sony Xperia XZ2 oder Samsung Galaxy S9(+) mithalten, welche inzwischen Geschwindigkeiten von bis zu 1200 Mbit/s im Download erlauben. Das sind jedoch alles nur theoretisch erreichbare Werte, in der Praxis dürften diese Geschwindigkeiten kaum erreicht werden. Die Empfangsqualität in einem Gebäude und im Freien kann als gut eingestuft werden und lassen somit keine Kritik zu.
WLAN nach 802.11 a/b/g/n/ac ist natürlich auch im Vorzeige-Smartphone von HMD Global vorhanden. VoLTE unterstützt das Nokia 8 Sirocco, WiFi-Calling hingegen nicht – oder ich habe zumindest keine Option gefunden, wie ich WiFi-Calling auf dem Nokia 8 Sirocco aktivieren könnte. Ebenfalls mit an Bord sind NFC (Near Field Communication) und Bluetooth 5.0.
Die Sprachqualität konnte mich als auch mein Gesprächspartner überzeugen. Die Ohrhörer bieten eine hohe Lautstärke bei einer guten Qualität an. Die Freisprechfunktion funktionierte im Test ganz ordentlich, auch in Umgebungen mit viel Lärmemissionen.
Akku
Im Nokia 8 Sirocco ist ein Akku mit einer Kapazität von 3260 mAh verbaut. Dank Schnellladetechnologie Quick Charge 4.0 lässt sich der Akku von 0 auf 100 Prozent in ca. 1 Stunde und 20 Minuten komplett aufladen. Das drahtlose Laden nimmt wie üblich deutlich mehr Zeit in Anspruch. Von 0 auf 100 ist das Gerät drahtlos in gut 3,5 Stunden geladen.
Die Akkulaufzeit geht in Ordnung, setzt aber keine neuen Maßstäbe. Ich persönlich bezeichne mich durchaus als Heavy-User. Ich bin jeweils schon glücklich, wenn mein Smartphone zumindest bis 18:00 Uhr nicht schon wieder ans Netzteil muss. Und ja, das hat das Nokia 8 Sirocco gerade so knapp geschafft.
Fazit
Kann das Nokia 8 Sirocco an die glorreichen Zeiten anknüpfen? Sagen wir mal so, teilweise. Was die Verarbeitung und das richtig luxuriöse Design angeht, definitiv. Ich habe schon lange kein so wertiges Smartphone mehr in den Händen gehalten, wie es das Nokia 8 Sirocco ist.
Die Dual-Kamera hat mich jetzt nicht vom Hocker gehauen, aber verrichtet mit wenigen Ausnahmen einen durchaus ordentlichen Job. Der Snapdragon 835 hätte man durchaus gegen den aktuellen SoC austauschen können, schliesslich verlangte HMD Global auch einen relativ hohen Preis für das Schmuckstück- der inzwischen allerdings stark gefallen ist.
Positiv und negativ kann Android One hervorgehoben werden. Positiv sicherlich für die Update-Garantie von zwei Jahren und für das schnörkellose sowie flinke System. Negativ aber auch, weil Android One keine besonderen Software-Features bietet. Das muss man sich einfach bewusst sein, Android One bietet alles was man zur Nutzung im Alltag braucht – mehr aber auch nicht.
Und richtig negativ aufgefallen sind mir die Seitentasten. Ich habe selten so schlecht ertastbare Tasten an einem Smartphone vorgefunden wie beim Sirocco. Hinzu kommt der ebenfalls nur schlecht ertastbare Fingerabdrucksensor auf der Rückseite.
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